Aurich (dpa/lni) - Mit Plakaten entlang der Nordseeküste und einer geplanten Volksinitiative wollen Jäger und Weidetierhalter in Niedersachsen den Druck für eine restriktivere Wolfspolitik erhöhen. «Wir fordern nichts anderes als das, was in dem Koalitionsvertrag der Ampel formuliert ist: Ein regional differenziertes Bestandsmanagement», sagte der Präsident der Landesjägerschaft in Niedersachsen (LJN), Helmut Dammann-Tamke, bei einem Pressegespräch am Mittwoch in Aurich.
Aus Sicht der Jägerschaft ist die Population des streng geschützten Wolfes längst in einem sogenannten guten Erhaltungszustand. Auch angesichts wiederholter Risse von Weidetieren fordern die Jäger daher eine Neubewertung des strengen Schutzstatus des Wolfes, der bislang nur in Ausnahmen abgeschossen werden darf.
Mit einer Volksinitiative solle die rot-grüne Landesregierung aufgefordert werden, eine Bundesratsinitiative zu starten oder zu unterstützen, die ein regional differenziertes Bestandsmanagement ermögliche, sagte Dammann-Tamke. Noch stehe die Idee am Anfang. Dazu solle es ein Bündnis mit anderen Gruppen des ländlichen Raumes geben, etwa habe das Landvolk bereits Unterstützung signalisiert. «Wir haben den Ehrgeiz, aus diesem Bündnis heraus, die Volksinitiative zu der erfolgreichsten Volksinitiative des Landes Niedersachsens zu machen.»
Mit einer Volksinitiative können wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürger nach Angaben des niedersächsischen Landtags das Parlament zwingen, sich mit einem bestimmten Thema zu befassen. Laut dem Landtag sind dafür 70 000 Unterschriften notwendig.
Niedersachsens rot-grüne Landesregierung bekräftigte zuletzt, an einem Konzept der Bundesregierung für ein europarechtskonformes und regional differenziertes Bestandsmanagement intensiv mitarbeiten zu wollen. Jäger und auch Weidetierhalter warfen der Landesregierung am Mittwoch jedoch erneut Tatenlosigkeit vor. «Es ist zu spät, weiter auf Zeit zu spielen», sagte der stellvertretende Bezirksvorsitzende der ostfriesischen Jägerschaft, Gernold Lengert. «Die Bevölkerung fühlt sich im Stich gelassen.»
Aus Sicht von Jägern und Deichschäfern ist die Weidetierhaltung mit Schafen insbesondere an den Deichen mit dem Wolfsschutz kaum vereinbar. Für den Küstenschutz sind die Tausenden Deichschafe wichtig, da sie die Grasnarbe der Küstenschutzbauwerke kurz halten und sie mit ihren Hufen den Boden festtreten. Die zehn niedersächsischen Küstenjägerschaften zwischen Emden und Stade sowie die Landesjägerschaft Bremen hatten sich im April daher für wolfsrudelfreie Zonen entlang der Küste ausgesprochen.
Am Mittwoch stellten diese Jägerschaften in Aurich dazu nun eine Plakatkampagne vor. Mit 300 Bannern, die metergroß auf Bauzäunen vielerorts entlang der Küste ab sofort aufgestellt werden sollen, wollen sie auf die Wolfsrisse aufmerksam machen. Insgesamt gibt es sieben Motive, die teils auch Bilder von gerissenen Schafskadavern zeigen. Dazu steht geschrieben: «Küstenschutz in Gefahr» oder «Deichschäfer fürchten um ihren Betrieb».
Die Plakate sollen sich insbesondere an Urlaubsgäste richten, die nun im Sommer eine Auszeit in der Region suchen. «Wer zu uns an die Küste kommt, soll erfahren, was uns beschäftigt und welchen Konflikt wir hier mit dem Wolf haben», sagte Lengert.
Nach vorläufigen Daten des Ende Mai vorgestellten aktuellen Wolfsmonitorings 2022/2023 ist die Zahl der registrierten Wolfsrudel zuletzt gestiegen: Landesweit wurden zwischen dem 1. Mai 2022 und dem 30. April 2023 insgesamt 40 Rudel gezählt - das sind sechs Rudel mehr als im vorherigen Erfassungszeitraum. Neben den Rudeln wurden zusätzlich fünf Wolfspaare und zwei sesshafte Einzelwölfe nachgewiesen. Im Nordwesten sind Wolfsrudel etwa in Friedeburg (Landkreis Wittmund) und bei Cuxhaven erfasst.
Auch Landvolk-Vizepräsident Jörn Ehlers bekräftigte die Forderung nach einem regional differenzierten Bestandsmanagement. «Herdenschutz ist nicht die Lösung aller Probleme und ist auch nicht in jeder Region gleichermaßen geeignet». Gerade an der Küste funktioniere der Herdenschutz nicht, wie es die Politik beschreibe. Zäune oder Herdenschutzhunde sind aus Sicht von Schäfern und Jägern an den Deichen, die auch touristisch genutzt werden, nicht praktikabel.