Rastdorf. Etwas Schlimmes scheint Katze Mauzi in Rastdorf widerfahren zu sein. Was genau das Tier so verängstigt hat, dass es seit mehr als einer Woche hoch oben auf einer Heizungsanlage verharren lässt, weiß Besitzerin Brigitte Sturm nicht. Sie hat aber eine Vermutung.
Es war in der vergangenen Woche am Dienstag, als Sturm morgens wie üblich zum Füttern ihren Hauswirtschaftsraum betritt. Doch irgendetwas war anders. Katze Mauzi und auch Kater Flecki kamen nicht sofort zu ihr. "Da wusste ich, dass die Tiere total verstört waren", berichtet Sturm. Beide saßen in zwei Metern Höhe auf dem Boiler einer Heizung – und rührten sich nicht. Sogleich spürte Sturm an ihrem Bein einen kalten Luftzug – und sah, dass die Katzenklappe, die ins Haus führt, nicht geschlossen war.
Von außen habe sie das ganze Maß der Zerstörung gesehen. "Alles war zerfetzt", so Sturm. Zudem habe sie Biss- und Blutspuren an der Tür gesehen. Schnell wurde ihr klar: "Irgendein Tier muss die Katzen bis zum Haus gejagt haben." Sturm geht davon aus, dass es ein Wolf war, der ihre Katzen habe fressen wollen. Ein Gedanke, der ihr Angst und "ein ungutes Gefühl" macht. "Was wäre passiert, wenn die Tür nicht geschlossen gewesen wäre?", fragt sich Sturm. Denn im Gebiet um ihr Haus im Rastdorfer Schlenkenmoor, unweit des Eleonorenwaldes, seien Wölfe unterwegs, weiß Sturm.
Dies bestätigt auch ihr Nachbar Andreas Sabel. Der Landwirt war nach dem Vorfall zusammen mit dem emsländischen Wolfsberater Björn Wicks vor Ort und hat sich die Klappe und das Umfeld des Hauses angesehen. Beiden können weder bestätigen noch dementieren, dass es der Wolf war, der sich so nah an den Menschen herangewagt hat. Die Bissspuren hätte auch ein großer Hund verursachen können, meint Wicks im Gespräch mit unserer Redaktion: "Das kann alles gewesen sein."
Dass der Wolf im Schlenkenmoor bereits sein Unwesen getrieben hat, kann Sabel bestätigen. Fünf seiner Schafe sind auf seinem Hof, in einem eingezäunten Bereich zwischen zwei Ställen, gerissen worden. "Es ist nachweislich ein Wolf gewesen", sagt Sabel, der die Bestätigung durch eine DNA-Probe erhalten hat. Eine solche Probe könnte auch beweisen, ob es ein Wolf war, der sich an der Katzenklappe zu schaffen gemacht hat. Sturm hat am Dienstagmorgen mit Wattestäbchen Abstriche der Tür und auch der Blutspuren genommen, wie sie sagt. Das bestätigt auch Wicks. Er werde diese ins Labor schicken. Das Ergebnis werde aber erst in einigen Monaten erwartet.
Zahlreiche Wolfssichtungen
Dass der Wolf längst auf dem Hümmling angekommen ist, das weiß auch der Werlter Hegeringleiter Thomas Schomaker: "Es vergeht keine Woche ohne eine Sichtung oder im schlimmsten Fall einen Riss." Dass sich ein Wolf jedoch so nah an ein Wohnhaus wage und ein solches aggressives Verhalten zeige, sei ungewöhnlich und – sollte es wirklich ein Wolf gewesen sein – "eine neue Dimension", sagt Schomaker. Der Hegeringleiter spricht sich nicht grundsätzlich gegen den Wolf aus, sagt aber auch, dass das Raubtier nicht in allen Bereichen geduldet werden sollte. Besonders der Schutz von Nutztieren sei wichtig, so Schomaker. (Weiterlesen: Wölfe töten deutlich mehr Nutztiere im Emsland)
Auch Sturm möchte gern ihre Katzen und auch ihre Hunde, zwei Neufundländer leben auf ihrem Grundstück, schützen. Jedoch weiß sie nicht wie. Als nächstes wird sie hinter ihrem Haus, das an eine Ackerfläche grenzt, Kameras aufhängen. Auch ihr Nachbar Sabel hat im Jagdgebiet im Schlenkenmoor Wildkameras installiert. Auf einem der Bilder habe er einen Wolf erkannt, und auch Spuren habe er schon gesehen und fotografiert.
Einen weiteren Beweis über die Existenz des Wolfs auf dem Hümmling hat es erst vor kurzem gegeben. Am Sonntag vor dem Vorfall in Rastdorf wurde ein Tier mit einer Wildkamera fotografiert – nah an einem Wohngebiet in Bockhorst. „Ich war überrascht, dass wir den Wolf endlich auf einem Foto einfangen konnten, da diese Tiere sehr scheu sind und normalerweise nicht so nah an ein Wohngebiet kommen“, sagt der Bockhorster Hubert Dopp, der einer der Pächter des Gebietes ist, auf dem der Wolf fotografiert wurde. (Weiterlesen: Elf Wolfsangriffe, 220 tote Schafe: "Da bleibst du nicht Mensch")
Der Bockhorster verständigte darauf den Landkreis Emsland. Die Bestätigung, dass es sich bei dem Wildtier wirklich um einen Wolf handelt, kam vom Wolfsbüro der Landesjägerschaft in Hannover. Der Wolfsbeauftragte Raoul Reding sagt, dass jährlich ungefähr 4000 Sichtungen von Wölfen in Niedersachsen gemeldet werden. Insgesamt gebe es 30 bestätigte Wolfsterritorien in Niedersachsen. Drei davon befänden sich im Emsland. Für die Anwohner von Bockhorst gehe aber von dem Wolf keine Gefahr aus, meint der Wolfsbeauftragte.