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Keilerhase geschossen

Die Zahnfehlstellung ist deutlich erkennbar.

Am 17. November 2018 führte der gemeinschaftliche Jagdbezirk Delfshausen eine Treibjagd auf Niederwild durch. Die Jagdpächter hatten sich nach den im Herbst und unmittelbar vor der Jagd stattgefundenen Scheinwerferzählungen davon überzeugt, dass die Bestände eine Jagdausübung auf den Hasen zulassen. Es wurden gut 30 Prozent mehr Mümmelmänner gezählt als im Vorjahr.

Nach einem Treiben viel ein erlegter Hase besonders auf. Es war eine deutliche Zahnfehlstellung zu erkennen. Ein unterer Schneidezahn ragte unnormal lang aus dem Äser. Bei genauerer Betrachtung war zu erkennen, dass die oberen Schneidezähne sich nicht abnutzen konnten und schon deutlich nach hinten in den Äser rein wuchsen. Auch die beiden Stiftzähne, die hinter den oberen Schneidezähnen liegen, waren aufgrund fehlender Abnutzung überlang. Obwohl dieser Hase mit großer Wahrscheinlichkeit große Probleme mit der Nahrungsaufnahme hatte, war er wohlgenährt und nicht im Wildbret abgekommen. Er konnte wohl noch genug Geäs auf der Seite mit dem Lecker einnehmen.

Hierzu sollte man wissen, dass das Gebiss der Säugetiere dadurch gekennzeichnet ist, dass nach der abgeschlossenen Wachstumsphase die Zähne nicht mehr weiterwachsen. Bei Nagetieren und Hasenartigen jedoch sind die zu Nagezähnen umgebildeten Schneidezähne durch die Bearbeitung harter Materialien wie z. B. Rinde oder Holz einer hohen Abnutzung ausgesetzt und können durch eine offene Zahnwurzel dauernd von unten nachwachsen. Da bei Hasen der Schmelz am Zahn hinten dünner ausgebildet ist als vorne, schleift sich die Vorderkante weniger stark ab als die Rückfläche der Zähne. Dadurch kommt es zur Ausbildung einer scharfen Schneidekante. Durch die Nahrungsaufnahme und die Reibung der Zähne aneinander wird das Längenwachstum der Zähne (bis zu 13 cm pro Jahr bei Kaninchen) automatisch ausgeglichen.

Der ausgekochte und präparierte Hasenschädel zeigte nicht wie vermutet einen ausgeheilten Bruch, so dass die Zahnfehlstellung wohl wachstumsbedingt hervorgerufen worden war, was bei Feldhasen nur sehr selten vorkommt. Dies ließ die normalerweise keilförmig abgeschliffenen oberen Nagezähne die unteren nicht mehr übergreifen und der „Schlussbiss" ging verloren. Da sich die Reibeflächen nicht  mehr genau berührten, konnte das fortdauernde Wachsen der Zähne nicht ausgeglichen werden. Die Fehlstellung des Unterkiefers führte zur Bildung eines sogenannten Keilerhasen mit stark verlängerten Nage- und Stiftzähnen. Trotz starker Beeinträchtigung bei der Nahrungsaufnahme war es dem Hasen noch möglich, die typischen seitlichen Kaubewegungen mit den Backenzähnen durchzuführen. Die verschobene Kieferstellung führte bei den ebenfalls weiterwachsenden Backenzähnen durch den ungleichen Kaudruck jedoch zu einer unterschiedlich starken Abnutzung.  

gez. Lutz Wemken