Die Kulturlandschaft im Landkreis Rotenburg/ Wümme wird in weiten Teilen durch seine landwirtschaftliche Nutzung geprägt. Diese Kulturlandschaft ist einem steten Wandel unterworfen. Gesichert ist die Erkenntnis, dass die offenen, landwirtschaftlich genutzten Landschaften mit ihren ursprünglich noch kleinräumig gegliederten Ackerflächen einmal zu einem deutlichen Anstieg der biologischen Vielfalt geführt haben. Zu den Beispielen der in dieser Kulturlandschaft durch den Menschen neu geschaffenen Lebensräume zählen Heiden, Magerrasen, Wiesen, Weiden, Brachflächen, sowie die Begleitflora der Äcker, wie Ackerrandstreifen, Wegeseitenränder, Feldgehölze, Feldraine, Gebüsche und Hecken. Die Bedeutung der heimischen Landwirtschaft geht damit weit über die reine Nahrungsmittelproduktion hinaus.
Seit einigen Jahren nun erleben wir wieder eine größere Veränderung in unserer Kulturlandschaft. Eine eher industrielle landwirtschaftliche Produktion hält Einzug, die durch eine Abkehr von kleinräumig gegliederten Ackerflächen gekennzeichnet ist. Dieser Schritt ist Folge einer Anpassung an veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die letztlich zu weniger, dafür aber größeren Betrieben führt und diesen das Überleben im ständigen Existenzkampf sichert. Neben die Gewinnung von Nahrungsmitteln ist der Anbau von Energiepflanzen und die Gewinnung von Energie selbst getreten.
Seit Jahresbeginn ist das Erneuerbare Energien Wärmegesetz in Kraft. Mit ihm fördert die EU die Nutzung von Wärme aus Biogasanlagen. Die Biogasproduktion wird sich weiter ausdehnen und das Bild unserer Kulturlandschaft weiter verändern. Da der Flächenbedarf zur Beschaffung von Biomasse größer wird, wird in der Nähe der Biogasanlagen der Anbau von Energiepflanzen weiter zunehmen. Es werden großflächig nur noch einige wenige Feldfrüchte als Monokultur angebaut.
Auf großräumigen Ackerflächen bleiben jedoch nur Lebensräume für wenige Arten, die in den ursprünglichen Biotopen vorgekommen sind, übrig. Die meisten Tier- und Pflanzenarten können sich den Lebensbedingungen, die auf großen Feldern vorherrschen, nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten anpassen. Die damit zur Verfügung stehende Vielfalt von Pflanzen und der an diesen gebundenen Tierarten wird sich deutlich verringern. Unbestritten ist auch, dass mit zunehmender Größe der Schläge die Begleitstrukturen weniger werden. Zu den stark zurückgegangenen Ackerbegleitstrukturen in der Agrarlandschaft zählen z.B. Hecken und Feldgehölze, besonders aber die offenen Ackerrandstreifen, Wegeseitenränder, Feldraine, Brachen und andere Flächen, die nicht zum wirtschaftlichen Ertrag beitragen und deren Erhaltung aus Sicht der Landnutzer daher von untergeordneter Bedeutung ist.
Ackerbegleitstrukturen erfüllen wichtige Funktionen. Zunächst dienen sie vielen Arten als Nahrungshabitat, beispielsweise den Blütenbesuchern. Diese nutzen das Blütenangebot, das meist höher ist als das der angrenzenden intensiv bewirtschafteten Äcker, auf denen die typische Ackerwildkrautflora weitgehend fehlt. Viele der durch die Ackerwildkräuter geförderten Blütenbesucher sind wiederum wichtige Bestäuber für die Feldfrucht.
Darüber hinaus werden die Ackerbegleitstrukturen auch als Ausweich-, Fortpflanzungs- und Entwicklungsraum angenommen. Gerade für bodenbrütende Vögel, Kleinsäuger, Amphibien, viele Insekten und Spinnen, die die Deckung der Vegetation benötigen, können sie eine wichtige Rolle spielen, da diese aufgrund der Bewirtschaftung oft keine Chance haben, ihre Brut und Jungenaufzucht im Acker selbst erfolgreich zu beenden. Diese Tiere verbringen dort die für sie ungünstige Zeit während und nach der Ernte, wenn auf dem Feld selbst durch die vollständige Beseitigung der Vegetation keine Nahrung zu finden ist, um später, wenn erneut Bewuchs auf dem Acker aufkommt, dorthin zurückzukehren.
Der Wegfall eines großen Teils der Ackerbegleitstrukturen muss also einer der Gründe für die Artenverarmung in der Agrarlandschaft angesehen werden. Die moderne Landwirtschaft führt damit zu einem Rückgang der Artenvielfalt in der Tier- und Pflanzenwelt. Ein Erhalt der Artenvielfalt wird auf Dauer nur dann gelingen, wenn zumindest genügend Ackerbegleitstrukturen vorhanden sind, die nicht der regelmäßigen Bewirtschaftung unterliegen.
Waren ungenutzte Flächen zu früheren Zeiten entlang beinahe jedes Ackers zu finden, erstreckt sich die Bewirtschaftung eines Feldes heute leider oft direkt bis an den angrenzenden Weg oder Acker. Dieser Umstand ist immer dann zu kritisieren, wenn die Nutzung widerrechtlich erfolgt.
Für die Jägerschaften besteht nach § 1 Bundesjagdgesetz (Pflicht zur Hege), eine grundsätzliche Verpflichtung zur Pflege und Sicherung der Lebensgrundlagen von Wildtieren. Diese Verpflichtung zielt auch auf die Erhaltung seltener oder gefährdeter Lebensräume. Sie besteht jedoch grundsätzlich für alle Biotoptypen und dient der Bewahrung und Förderung intakter Lebensgemeinschaften. Im Mittelpunkt dieser Bemühungen steht nicht die Unterscheidung, ob eine Art nützlich oder schädlich bzw. jagdlich interessant ist. Maßnahmen des Biotopschutzes dienen auch den Tierarten, die nicht dem Jagdrecht unterliegen.
Eine weitere Verpflichtung ergibt sich aus dem § 3 des Niedersächsischen Jagdgesetzes. Hier heißt es sinngemäß: Jagd und Hege sind so durchzuführen, dass die biologische Vielfalt und ein artenreicher und gesunder Wildbestand in angemessener Zahl im Rahmen einer maßvollen und nachhaltigen Wildbewirtschaftung erhalten bleibt. Dazu sind auch außerhalb des Waldes Deckungs- und Ruhezonen sowie Äsungsflächen für das Wild zu schaffen.
Die Forderung der Arbeitsgemeinschaft der Naturschutzverbände nach Erhalt bzw. Wiederherstellung der widerrechtlich genutzten Ackerbegleitstrukturen, wird im Sinne des Artenschutzes von der Jägerschaft Rotenburg/ Wümme aus den eben geschilderten Gründen nachdrücklich unterstützt. Die Jägerschaft hält ihre Revierinhaber dazu an, i.Z.m. den Grundstückseigentümern und Landwirten dem Artenrückgang durch Neuanlage von Wildäckern, Hecken, Blüh- und Huderstreifen sowie Untersaaten von Gras- oder Kleebeständen, zu begegnen.
Die Thematisierung in der Presse und die zu diesem Thema eingegangenen Leserbriefe zeigen, dass die Bedeutung der Landwirtschaft für den Naturschutz nun endgültig in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt ist.