Der Deutsche Falkenorden lud am 5. und 6. Februar zur zweiten revierübergreifenden Beizjagd auf Krähen nach Hiddingen. Nach der erfolgreichen Vorjahresveranstaltung mit sieben Beizvögeln folgten diesmal acht Falkner der Einladung des Landesverbandes Niedersachsen Bremen. Neben Teilnehmern aus dem Landesverband Nordrhein-Westfalen, mit dem Landesvorsitzenden Walter Corsten und dem Falknermeister-Rheinland Heinrich Kerkhoff an der Spitze, hatte der Falkner Winfried Hirsch selbst die weite Reise aus dem Allgäu für diese Veranstaltung nicht gescheut.
Nach der Begrüßung durch den Organisator der Veranstaltung, dem Falkner Herbert Meyer aus Ottingen und den Vorsitzenden der Jägerschaft Rotenburg (Wümme), Ulrich Voß, erfolgte die nach einem Briefing die Gruppeneinteilung und die Fahrt in die Reviere. Damit war die Krähenbeize eröffnet. Bei der Beizjagd kamen zwei heimische Greifvogelarten zum Einsatz: vier Habichte und vier Wanderfalken. Jeder dieser Greifvögel hat seine Spezialdisziplin.
Der Habicht, eher der Draufgänger unter den Greifen, ist wohl der am häufigsten eingesetzte Beizvogel. Er ist ein Pirschjäger, der sich dadurch auszeichnet, dass er seine Beute durch überraschende, äußerst wendige Flüge meist in Bodennähe oder am Boden zu erbeuten sucht und ideal an eine deckungsreiche Landschaft angepasst ist. Seiner jagdweise in Bodennähe wegen, gehört er zu den Vögeln vom Niederen Flug. Er wird als Grifftöter bezeichnet, weil er seiner Beute durch den Griff seiner starken Fänge tödliche Verletzungen zufügt. Sein natürliches Beutespektrum reicht von Sperlingen über Drosseln, Tauben, Krähenvögeln, Fasanen, Enten, Möwen bis hin zu Kaninchen, beim gegenüber dem Terzel genannten Männchen deutlich größeren Weibchen sogar bis zum Hasen. Wenn die Küche des Falkners regelmäßig mit Wild versorgt werden soll, dann ist der Habicht der verlässlichste Beizvogel. Französische Falkner nennen ihn deshalb auch Le Cuisinier- den Küchenmeister.
Der Wanderfalke ist der rasanteste Jäger unter den Greifen. Er schlägt seine Beute, das Flugwild, fast ausschließlich hoch in der Luft. Dieser Jagdweise wegen zählt er zu den Beizvögeln vom Hohen Flug. Bei der Krähenbeize wird er als Faustfalke eingesetzt, d.h. er jagd seine Beute von der Faust des Falkners aus an und versucht sie dann sofort zu übersteigen und durch einen Steilstoß in der Luft zu greifen. Der Falke jagd im Gegensatz zum Habicht vorwiegend im deckungsfreien Luftraum. Seine Beute tötet er durch einen Biss in den Kopf oder Nacken. Er ist somit ein Bisstöter. Zu seinem Beizwild gehören Fasan, Rebhuhn, Ente und Rabenkrähe.
Um dem Leser einen Eindruck von der Beizjagd auf Krähen zu vermitteln, habe ich mich dem Falkner Herbert Meyer angeschlossen. Die revierübergreifende Krähenbeize, die über einige Hegeringgrenzen hinweg erfolgte und sich damit auf einer Fläche von mehreren zehntausend Hektar abspielt, erfordert auch eine besonders hohe Mobilität. Die Pirsch nach Krähen erfolgt vom Geländewagen aus. Nur so können rasch große Entfernungen überwunden und größere Flächen nach Krähen abgesucht, bzw. kann einzelnen Flügen von Krähen gefolgt werden.
Die Aaskrähe oder Rabenkrähe, wie südwestliche Erscheinungsform genannt wird und der diese Beizjagd gilt, bewohnt offene und halboffene Landschaften mit Bäumen, Feldgehölzen, Alleen, Waldrändern und Auwälder. Ihre Hauptnahrungsgründe sind die Grün- und Ackerflächen sowie Viehweiden. Der Name dieser Krähe lässt den überwiegenden Teil ihrer Nahrung bereits erahnen, welcher tierisch ist und sich aus Insekten, deren Larven, Jungvögeln, kleinen bis mittelgroßen Säugern, Eiern, Fischen und nomen est omen Aas zusammensetzt. Das Plündern von Bodengelegen, sowie das aufnehmen der Junghasen ist eine Eigenschaft der Aaskrähe, die insbesondere in klassischen Niederwildrevieren zum Problem werden kann.
Der Falkner Herbert Meyer fliegt einen Habicht mit Namen Cäsar. Ich sitze direkt hinter ihm im Geländewagen. Sein Habicht befindet sich auf dem Beifahrersitz in einer Transportkiste. Diese ist lichtdicht verschlossen, um eine Beunruhigung des Habichts zu vermeiden. Wir fahren auf der Suche nach Krähen durch die Feldflur. Auf einer Viehweide in einigen hundert Meter links vor uns sucht ein Trupp Krähen nach Frass. Sie sind das erste Ziel für einen Jagdflug. Der Habicht wechselt aus der Transportkiste auf die Faust des Falkners und bekommt damit die Gelegenheit sich zunächst zu orientieren. Das Fenster auf der Fahrerseite ist geöffnet, der Geländewagen nimmt Fahrt auf. Wir nähern uns dem Trupp Krähen. Der Habicht hat seine Beute längst erspäht. Es liegt am Falkner, seinen Beizvogel in eine günstige Jagdposition zu bringen. Über den Beginn der Jagd entscheidet der Vogel, den Verlauf bestimmen Kraft, Geschick und Ausdauer von Habicht und Krähe. Noch 50 Meter bis zum Ziel, der Habicht startet von der Faust und geht in seinen Jagdflug über. Sekunden später, der Trupp Krähen fliegt erschrocken unter lautem Gezeter auf. Zu spät für eine unachtsame Krähe, der Habicht war schneller und hat sie noch am Boden gebeizt (erbeutet).
Der Habicht apportiert die Krähe nicht zum Falkner, es ist an ihm, sich dem Greifvogel zu nähern und ihm, nachdem er kurz seinen Jagderfolg genießen durfte und von der Krähe geatzt (gefressen), also seinen Kropf etwas gefüllt hat, sie ihm nun abzunehmen. Bei unvorsichtiger und zu schneller Annäherung könnte er mit einer leichten Beute, wie z.B. einer Elster auf den nächsten Baum aufblocken und für den Falkner zunächst unerreichbar dort seine Beute atzen. Beim Abnehmen nimmt ihn der Falkner zurück auf die Faust. Mit dem Fauststück, einem Stück Fleisch, wird er nun auf die Faust gelockt. Im Tausch überlässt er dem Falkner Herbert Meyer nun die Krähe. Statt dem Fauststück wird auch das Federspiel, eine Beuteattrappe aus Leder, mit häufig beiderseits aufgenähten Vogelflügeln, auf welche Atzung gebunden wird, genutzt. Damit der Habicht Cäsar Ruhe findet und sich erholen kann, kommt er zunächst wieder in seine Transportkiste auf dem Beifahrersitz.
Die hier geschilderte Szene wiederholt sich so oder so ähnlich noch einige Male am heutigen Tag in den einzelnen Gruppen. Am Ende des Jagdtages kann von 14 erfolgreichen Jagdflügen berichtet werden. Der zweite Jagdtag ist von eher widrigen Witterungsverhältnissen gesprägt. Starker kalter Wind und Regenschauer gestalten sowohl die Suche nach Krähen als auch die wenigen Jagdflüge schwierig, so dass an diesem Tage lediglich weitere fünf Krähen zur Strecke kommen.
Nach dem gemeinsamen Strecke legen und dem Verblasen der Jagdstrecke endet die revierübergreifende Krähenbeize mit Kaffee und Kuchen bei Fachsimpelei und Erfahrungsaustausch. In einem sind sich alle Teilnehmer einig: Es war nicht die letzte Veranstaltung dieser Art. Bereits am 3. u. 4. Dezember 2011 erfolgt die nächste revierübergreifende Krähenbeize im Landkreis Rotenburg (Wümme).