Während in der Natur im Juli für die meisten tierischen Bewohner die Brut- und Setzzeit endet, beginnt für das Rehwild bereits wieder die Paarungszeit, deren zweite Hälfte in der Jägersprache auch Blattzeit genannt wird. Der Begriff Blattzeit leitet sich vom sogenannten Blatten, der Lockjagd auf den Rehbock mittels eines Fieptones ab, die in der zweiten Hälfte der Brunftzeit (Paarungszeit) betrieben wird. In früheren Zeiten ahmte der Jäger mit einem Laubblatt (meistens Buche) oder Grashalm den Locklaut einer Ricke nach und lockte so den Rehbock an. Waidmännisch ausgedrückt, sprang der Bock dann aufs Blatt. In der heutigen Zeit finden bei der Lockjagd auf den Rehbock meistens jedoch Lockinstrumente (sog. Blatter) Anwendung, bei denen durch Anblasen einer Metallzunge, ähnlich wie in der Mundharmonika, Fieplaute erzeugt werden, die denen einer Ricke ähneln.
Die Brunftzeit des Rehwildes dauert von Mitte Juli bis Mitte August. In dieser Zeit kümmert sich der Rehbock um die Gunst des weiblichen Rehwildes in seinem Territorium. Der Rehbock ist nun den ganzen Tag auf den Läufen. Trifft der Bock auf eine Ricke, treibt er diese, wie es in der Jägersprache heißt. Haben Sie dieses Treiben durch den Rehbock auch schon einmal in der Natur beobachten können? Ein Irrtum, wie uns die Wissenschaft lehrt, denn das Brunftgeschehen geht nach wissenschaftlichen Erkenntnissen vom weiblichen Rehwild aus. Beim jetzt häufig zu beobachtenden Treiben sind die brunftigen Ricken der eigentlich aktive Part, der Rehbock folgt lediglich der brunftigen Ricke oder dem Schmalreh.
Aber egal, ob nun der Bock treibt oder nur folgt: Das Treiben eröffnet das jährliche Brunftspiel. In den nächsten Tagen weicht der Bock dem brunftigen Stück nun nicht mehr von der Seite. Dieses Treiben kann unter Umständen über mehrere Kilometer, durch Wälder und Felder, über Zäune und Straßen gehen. Nicht selten erfolgt auch ein ständiges Treiben im Kreis, so dass im Gras oder Getreide die sogenannten Hexenringe entstehen. Bei diesem letzten Ritual vor dem Beschlag (Deckakt) bewegt sich das weibliche Reh dicht vor dem verfolgenden Bock im Kreis.
Die eigentliche Blattzeit - die Jagd auf den Rehbock mittels Blatter - beginnt für den Jäger jedoch erst Ende Juli. Dann ist der überwiegende Teil der Ricken und Schmalrehe beschlagen. Die Rehböcke finden dann kaum noch brunftige weibliche Rehe in ihrem Territorium und suchen nun mitunter weit umherziehend nach anderen brunftigen Stücken. Treffen sie dabei auf etwa gleichstarke Rivalen, kann es zu erbitterten Brunftkämpfen kommen.
Sie überqueren bei dieser oft kilometerlangen Suche nach einer Partnerin, die Straßen. Und das nicht nur während der Morgen- und Abenddämmerung sondern auch verstärkt tagsüber. Da Liebe bekanntlich blind macht, kommt es nun vermehrt zu Wildunfällen, da die dem Rehwild sonst eigene Vorsicht kurzzeitig abhanden kommt und es die Straßen bei diesem liebestollen Treiben tatsächlich fast blind überquert und der Autofahrer meist nur auf die nächtliche Begegnung mit dem Rehwild eingestellt ist.
Im Bereich der Jägerschaft Rotenburg fielen nach eigener Zählung im vergangenem Jahr fast 350 Rehe dem Straßenverkehr zum Opfer. Damit entfielen über 70% aller Wildunfälle allein auf unser Rehwild, so die traurige Bilanz. Deshalb bittet die Jägerschaft Rotenburg die Autofahrer darum, in den kommenden Wochen besonders aufmerksam zu fahren, Wildwarnschilder zu beachten und Geschwindigkeitsbegrenzungen einzuhalten. Einen besonderen Hinweis auf Unfallschwerpunkte geben die von den Revierinhabern im Rahmen der Initiative 3Beine ein Ziel an Wildunfallstellen aufgestellten Dreibeine. An Stellen, an denen sich diese Dreibeine häufen, quert das Wild besonders oft die Straßen. Der Rehbock quert sie nun häufiger bei der Suche nach brunftigen Ricken, sowie Ricke und Bock quasi Blind vor Liebe beim eigentlichen Treiben. Ein Grund, in den nächsten Wochen, den Fuß noch etwas früher als Gewöhnlich vom Gaspedal zu nehmen.