Die von Jägern vor rund zwanzig Jahren geborene Idee, mit den Dritt- und Viertklässlern der örtlichen Schulen im Revier auf Entdeckungsreise zu gehen und ihnen im Rahmen der Initiative LERNORT NATUR durch erlebnisorientiertes Lernen die heimische Natur näher zu bringen, hat nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Sie hat sich nicht nur zu einer echten Erfolgsgeschichte entwickelt, sondern ist inzwischen zu einem anerkannten Bestandteil der außerschulischen Bildungsarbeit geworden und stellt somit – neben Hege und Naturschutz – ein weiteres Aktionsfeld der Jägerschaften dar.
Aktuelle Studien, wie der „Jugendreport Natur 2010“ der Universität Marburg, bescheinigen den elf- bis fünfzehnjährigen Jugendlichen ein „extrem mangelhaftes“ Wissen über die Natur. Dieser scheinbar fortschreitenden Entfremdung des Menschen von der Natur will die Initiative LERNORT NATUR entgegen treten. Schließlich führt nur das Wissen um die Zusammenhänge in der Natur im Allgemeinen, bzw. um Fauna und Flora im Speziellem, zu der Erkenntnis, dass nur ein umweltverträglicher und nachhaltiger Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen auch eine Nutzung durch zukünftige Generationen ermöglicht.
Hunderte Schüler verschiedener Altersgruppen waren bisher Gäste bei LERNORT NATUR und haben dabei weit mehr gelernt, als nur den Unterschied zwischen Reh und Hirsch. Sie bekamen die Gelegenheit, die Natur hautnah zu erleben. Im Vordergrund stand dabei das erlebnisorientierte Lernen. Ziel, neben der reinen Wissensvermittlung, war auch die Vermittlung des Prinzips der „nachhaltigen Nutzung“ der Ressourcen. Das Prinzip der Nachhaltigkeit wurde im Übrigen erstmals 1560 in der kursächsischen Forstordnung formuliert und galt seither für Forst und Jagd.
Das Wissen über Zusammenhänge in Forst, Jagd und Landwirtschaft, das in weiten Teilen der Bevölkerung noch vor wenigen Jahrzehnten Allgemeingut war, ist mit der Veränderung gesellschaftlicher Strukturen inzwischen fast verloren gegangen. War es vor dreißig, vierzig Jahren noch selbstverständlich, dass z.B. Bäume gepflanzt und erst viele Jahrzehnte oder Jahrhunderte später geschlagen werden können, um verarbeitet zu werden, so werden heute Holzmöbel gekauft, ohne Herkunft und Alter des Materials zu kennen. Das Stück Fleisch oder die Scheibe Wurst verbindet im Bewusstsein der Schüler wenig mit dem Rind oder Schwein, das einmal geboren, aufgezogen und geschlachtet wurde, um schließlich als Lebensmittel verwertet werden zu können. Ebenso wenig ist den meisten Schülern klar, dass sie in einer, durch menschliche Nutzung entstandenen Kulturlandschaft leben und nicht in einer unberührten Naturlandschaft, in der sogar einmal eine Selbstregulierung des Ökosystems funktionierte.
Das Prinzip der nachhaltigen Nutzung fordert, dass regenerierbare lebende Ressourcen nur in dem Maße genutzt werden dürfen, wie die Bestände natürlich nachwachsen. Die Natur in unserer Kulturlandschaft soll also nicht ausgebeutet werden, sondern sie soll so rücksichtsvoll genutzt werden, dass auch kommenden Generationen eine möglichst intakte Landschaft übergeben werden kann. Dieses Prinzip wird in den kommenden Jahren nicht nur als Nutzungsform der Natur von Bedeutung sein, sondern auch Wirtschaft und Industrie als Vorbild dienen. Die Rohstoff- und Energiereserven der Erde sind nicht unerschöpflich und werden – eine gleichbleibende Ausbeute vorausgesetzt – in nicht allzu ferner Zukunft aufgebraucht sein. Darum werden wir in kommenden Jahrhunderten nur so viel Rohstoffe verarbeiten können, wie wir recyceln, und nur so viel Energie verbrauchen, wie wir erneuern können.
Die Aktivitäten in Sachen „erlebnisorientiertes Lernen“ werden in der Jägerschaft Rotenburg (Wümme) von ihren sieben Hegeringen wahrgenommen. Neben der Aktion „LERNORT NATUR“ werden hier Führungen im sogenannten „GRÜNEN KLASSENZIMMER“ angeboten, bzw. die „WALDJUGENDSPIELE“ und die „KINDERFERIENPASS-AKTIONEN“ unterstützt. Einen Eindruck dieser Aktivitäten vermittelt die vom Hegering Lauenbrück mit Schülern der Finteler Grundschule durchgeführte Aktion „LERNORT NATUR“. Am 1. Juli trafen sich 78 Schüler, begleitet von ihren Lehrern und einigen Eltern mit 14 Jägern des Hegeringes in einem Revier bei Fintel. Nach dem musikalischen Empfang der Teilnehmer mittels Fürst-Pless- und Parforcehörnern, erfolgte die Begrüßung durch den Hegeringleiter, Hubertus Steinke, und die Einweisung in den Ablauf durch die Obfrau für Öffentlichkeitsarbeit, Irene Böttcher.
An insgesamt acht Stationen sollte den Schülern wissenswertes über Flora und Fauna erklärt und der Sinn für den umweltverträglichen und nachhaltigen Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen geschärft werden.
An der ersten Station wurden Kenntnisse über die heimische Vogelwelt vermittelt. Wie sieht der Vogel aus, zu dem der Ruf: „Kuckuck“, „Kuckuck“, gehört? Welcher Vogel steht „rüttelnd“ in der Luft und hält nach Beute Ausschau? Mit solchen oder ähnlichen Fragen wurden zunächst aus einer Reihe von Präparaten die Vögel ermittelt, deren Erkennungsmerkmale, Biologie und Besonderheiten anschließend erläutert wurden. Neben Kuckuck und Turmfalke wurden Eichelhäher, Kolkrabe, Buntspecht, Grünsprecht, Habicht, Roter Milan, Waldohreule und Schleiereule behandelt. Die Attraktion an dieser Station waren jedoch zwei zahme Frettchen, die sich von den Schülern bereitwillig auf den Arm nehmen und streicheln ließen. Mit dem Jagdhornsignal „Blattschlagen“ folgte der Wechsel der acht Schüler an die nächste Station.
Das Thema der zweiten Station war das Schwarzwild. Warum haben Frischlinge streifen? Bis auf welche Entfernung kann das Schwarzwild den Menschen winden (riechen)? Von solchen Fragen zum mitmachen motiviert, wurde in einem Frage- und Antwortspiel den Schülern alles Wissenswerte über diese Wildart vermittelt. Aber auch handfestes wurde geboten. Wie sieht die Sauschwarte aus? Wie fühlt sie sich an? Wie groß und scharf ist das Gewaff (obere und untere Eckzähne) des Keilers? Die Antworten konnte jeder Schüler quasi mit Händen greifen.
Die dritte Station bot Wissenswertes über Jagdhörner und deren Einsatz im Jagdbetrieb. Nachdem das Spielen von Parforce- und Plesshorn demonstriert wurde, bekam jeder Schüler die Möglichkeit geboten, sich selbst am Jagdhorn zu versuchen. Angestrengte Gesichter, gerötete Wangen, heiße Luft, aber auch erste Töne waren das Ergebnis dieser Übung. Trotz aller Mühen, überwog doch der Spaß und die Freude über den persönlichen Erfolg.
Station vier war dem Element Wasser und seinen Bewohnern gewidmet. An dieser Station drehte sich alles um die Grundsatzfrage: „Was haben die Bäume mit den Fischen zu tun“? Die Fragezeichen in den Gesichtern der Schüler schwanden allmählich, als die Gedanken in Richtung Nahrungskette gelenkt wurden. Was hatten die grünen Blätter der Erle mit den braunen skelettierten Blättern im Wasser zu tun? Waren die Flohkrebste dort des Rätsels Lösung? Sind sie nicht auch die Lieblingsspeise der Fische? Nun schloss sich der Kreis, und nach dem Verlassen dieser Station war jedem Schüler die Bedeutung einer natürlichen Ufervegetation mit einem entsprechendem Baumbestand bewusst.
An der fünften Station ging es um sehr kleine Spinnentierchen, die bei den Schüler sofort ein gewisses Unbehagen verursachten. Von dem kleinen blutsaugenden Parasiten Ixodes ricinus, der Zecke, war hier die Rede. Wie sie lebt und welchen Entwicklungszyklus sie durchläuft, wo sie lebt, und wie man sich vor ihr schützen kann. Dieses, und vieles mehr, gab es an dieser Station zu erfahren. Trotz, oder gerade wegen all dieser Informationen verspürte der eine oder andere Schüler auch noch nach dem nächsten Stationswechsel ein leichtes Kribbeln auf der Haut.
Zwei Jagdhunde und ihre Führer warteten an der sechsten Station auf die Schüler. Wissenswertes über Hunde und deren Ausbildung wurde hier mit Unterstützung der beiden vierbeinigen Jagdhelfer vermittelt. Von Gehorsam war hier ebenso die Rede, wie von der Haarwildschleppe oder der künstlichen Schweißfährte. Was Fährtenarbeit ist, und dass ein Fährtenschuh keine neue Kreation im Bereich der Schuhmode darstellt, waren nur einige der neuen Erkenntnisse, die jeder hier gewinnen konnte.
Das in uns Menschen noch immer ein wenig von der „Jäger- und Sammler-Mentalität“ unserer steinzeitlichen Vorfahren steckt, konnte an der siebten Station beobachtet werden. Hier durfte sich jeder Schüler mit Hilfe einer mit Ton gefüllten Schale und den Läufen von Wildschwein, Rothirsch oder Rehwild ein Trittsiegel erstellen, indem er die Schalen der jeweiligen Wildart fest in den Ton eindrückte. Mit einer durchsichtigen Folie überdeckte, entsteht so nach dem Austrocknen des Tons, ein für immer konserviertes Trittsiegel. Keiner der Schüler versäumte es, die eben gemachte Beute, als Erinnerung mit nach Hause zu nehmen. Nach dieser praktischen Einlage, war wieder die Phantasie gefragt. Nun galt es in einer sogenannten „Fühlkiste“, auch „Tastbox“ genannt, in die man blind hineingreifen soll, um mit dem Tastsinn den Inhalt zu erraten, all das zu erkennen, was auf dem Waldboden zu finden ist. Da gab es neben Laub, Farn, trockenen Ästen und abgeworfenen Gehörnen noch vieles Andere zu entdecken.
Den Abschluss bildete die achte Station auf der es alles wissenswerte über unser heimisches Damwild und Rehwild zu erfahren gab. Dort, wo anfänglich das Verständnis fehlte, halfen gezielte Fragen weiter. „Warum ist der Waldboden nicht mit Gehörnen und Geweihen übersäht, wo Dam- und Rehwild doch Jahr für Jahr Geweih oder Gehörn abwerfen“? Diese oder ähnliche Fragen führten schnell zu einem Dialog mit den Schülern. Zum besseren Verständnis war hier auch alles mit Händen zu greifen. Ob es nun die Damwilddecke, ein Gehörn vom Rehbock mit gebrochener Stange, das in einer Weidenzaunlitze verfangene Damhirschgeweih oder das noch im Bast befindliches Gehörn des Rehbockes war. Und wo immer möglich und nötig, wurde an den Stationen der Bogen hin zum Prinzip der Nachhaltigkeit geschlagen.
Als Erinnerung an diesen Tag und als symbolisches Band zur Natur, bekam jeder Schüler ein von der Baumschule Priebe gestiftetes Bäumchen (Nordmanntanne) geschenkt. Für die 78 Finteler Schüler war die Aktion LERNORT NATUR damit beendet. Für den Hegering Lauenbrück und die Jägerschaft Rotenburg (Wümme) werden noch viele weitere Aktivitäten in Sachen „erlebnisorientiertes Lernen“ folgen. Informationen zu diesen Aktivitäten können über die Obleute für Öffentlichkeitsarbeit der einzelnen Hegeringe, die auf der Homepage der Jägerschaft (www.jaegerschaft-row.de) veröffentlicht sind, erfragt werden.