Wenn der Winter seinen weißen Mantel über die Landschaft legt und jeder Strauch und jeder Zweig sich unter der Last einer weißen Schneedecke neigt, beginnt für die meisten unserer Wildtiere eine entbehrungsreiche Zeit. Unsere heimischen Wildarten überstehen den Winter auf unterschiedliche Weise, allen gemein ist jedoch, dass sie im Winter unter Kälte und Nahrungsmangel leiden. Trotzdem weichen sie diesen ungünstigen Bedingungen nicht aus. Auch wenn eine verringerte Aktivität sie jetzt fast unsichtbar erscheinen lässt, verraten die vielen Spuren und Fährten im Schnee ihre Anwesenheit.
Eine Strategie den lebensfeindlichen Winter überleben besteht bei Haarwild wie Fuchs, Damwild oder z.B. Rehwild darin, sich mithilfe eines speziellen Winterfells vor der Kälte zu schützen. Die Sommerdecke (Sommerfell) der Rehe sieht rotbraun aus. Zwischen den längeren Grannenhaaren stehen kurze und lockere Wollhaare. Im Herbst verfärbt das Rehwild, das heißt die Sommerdecke wird durch eine graubraune, dichte Winterdecke (Winterfell) ersetzt. Die Wollhaare sind bei dieser dicker, länger, mit Luft gefüllt und stehen dichter zwischen den Grannenhaaren. Diese Winterdecke schützt das Rehwild nun besser gegen Wärmeverlust. Für Warmblüter besonders wichtig, da sie ihre Körpertemperatur trotz unterschiedlicher Außentemperatur auf einem gleichen Wert halten müssen.
Eine weitere Strategie der Rehe besteht darin, Fettreserven für den Winter anzulegen. Die Reserven müssen vor Wintereinbruch mindestens 1000 g betragen. Während unser Rehwild im September / Oktober eine Äsungszeit von ca. 7 Stunden auf 10-12 Äsungsperioden verteilt, nimmt die Dauer des Äsens zu den Wintermonaten sukzessive ab und fällt im Dezember / Januar auf eine reine Äsungszeit von nur 3 Stunden. Es ist damit in den Wintermonaten viel seltener auf den Läufen als noch im Herbst und erscheint damit fast unsichtbar. Es stellt sich zusätzlich ein Stoffwechseltief ein in dessen Folge es sich nur so wenig, wie nötig bewegt. Der Pansen verkleinert sich aufgrund der geringeren Nahrungsaufnahme in dieser Zeit um etwa 25-30 %.
Neuste wissenschaftliche Erkenntnisse der Veterinärmedizinischen Universität Wien zeigen, dass Rotwild und Rehwild in Extremsituationen (harter Winter in den Bergen; meterhoher Schnee, Kälte und dabei kaum etwas zu fressen) sogar über eine bisher nicht vermutete Überlebensstrategie verfügen. Wenn es besonders schlimm wird, fallen die Tiere in eine Kältestarre, ähnlich dem Winterschlaf von Murmeltier und Bär. Die Körpertemperatur sinkt dabei auf - für andere Warmblüter absolut tödliche - 15 Grad und weniger.
Auch wenn diese Extreme bei uns in Norddeutschland nicht vorherrschen, gilt folgende Schlussfolgerung: Im Winter brauchen unsere Wildtiere Ruhe mehr als alles andere und sind nicht unbedingt auf zusätzliche Fütterung angewiesen, weil sie ohnehin auf Sparflamme brennen. Jegliche Störung, die das Wild in dieser Zeit beunruhigt oder gar zu einem Fluchtverhalten zwingt, verbraucht Energie und zehrt die Reserven auf, die zum Überstehen des Winters zwingend benötigt werden und nun nur schwer ergänzt werden können. Beim weiblichen Rehwild beginnt nach Ende der Eiruhe Ende Dezember zusätzlich noch der Fötus zu wachsen, ein Prozess der ebenfalls zusätzlich Energie erfordert.
Die Jägerschaft Rotenburg appelliert daher an Naturfreunde und Waldspaziergänger Störungen zu vermeiden, indem sie auf den Wegen bleiben und Wildruhezonen sowie Dickungen nicht betreten. Hunde sollten jetzt an der Leine geführt werden, auch wenn derzeit keine Anleinpflicht besteht.