Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Berufsschülern und Jägern im speziellen oder Berufsschule und Jagd im allgemeinen? Diese Frage stellten sich Ende Mai 2012 ein Berufsschullehrer des Berufsbereiches Metalltechnik der Berufsbildenden Schulen Rotenburg - Europaschule und der Obmann für Öffentlichkeitsarbeit der Rotenburger Jägerschaft. Die Antwort war schnell gefunden: Ja, die einen werden in der Herstellung von Metallprodukten ausgebildet, die anderen benötigen Metallprodukte zur Jagdausübung. Handelt es sich nun um das selbe Produkt, und wird dieses von der einen Seite produziert, während es auf der anderen zum Einsatz kommt, ergeben sich Vorteile für beide Seiten.
Für die BBS eröffnete sich die Möglichkeit, den Schülern eine besondere Motivation zuteilwerden zu lassen, indem sie nach speziellen jagdlichen Forderungen ein Produkt bis zur Marktreife entwickeln konnten, das sich anschließend im Revieralltag bewähren und jahrelanger harter Beanspruchung zu trotzen hatte.
Hier nun war der gemeinsame Nenner gefunden. In der Jägerschaft ist kurzfristig ein Bedarf an sogenannten Drückjagdböcken entstanden. Um das Gefahrenpotenzial bei den herbstlichen Erntejagden - insbesondere bei der Jagd in Raps und Mais - zu minimieren, ist dort, wo das Gelände keinen ausreichenden Kugelfang bietet, von geeigneten Ansitzeinrichtungen aus zu jagen. Diese sog. Drückjagdböcke sollten nach Möglichkeit klappbar und standfest sein, die Schussabgabe sowohl im Stehen als auch im Sitzen ermöglichen und im Idealfall von nur einem Jäger zu tragen sein.
Aus diesen ersten Überlegungen kristallisierte sich schnell das „Kooperationsprojekt - Drückjagdbock“ heraus. Für die Metallklassen der BBS eine doppelte Herausforderung, da einerseits Drückjagdböcke in Metallausführung derzeit noch nicht marktüblich sind, also erst entwickelt werden mussten, andererseits der Produktionsablauf für die vereinbarten 70 Drückjagdböcke in das noch vorhandene Zeitfenster bis Ferienbeginn (19. Juli) eingepasst werden musste. Für die Jägerschaft ergab sich neben der Finanzierung der Produktion lediglich die Herausforderung, in Zusammenarbeit mit den BBS ein Standartmodell zu entwickeln, das diese Forderungen erfüllt, die Revierinhaber letztlich überzeugt und auch in entsprechender Menge nachgefragt wird.
Nachdem in enger Abstimmung mit der Jägerschaft der Prototyp entwickelt war, begann am 6. Juni nach erfolgter Materiallieferung schließlich der Produktionsprozess. In den verbleibenden sechs Wochen bis Ferienbeginn sollten nun aus ca. 1,2 Kilometer Rohren die 70 Drückjagdböcke entstehen.
Im ersten Arbeitsschritt erfolgte die Demontage des Prototyps und die Anfertigung von Schablonen. Sodann konnte der passgenaue Zuschnitt der vielen Teile beginnen. An diesem ersten und den beiden folgenden Arbeitsschritten waren im Wechsel bis zu 36 Schüler der Berufseinstiegsklasse Metalltechnik (BEM), der Berufsfachschule Metalltechnik (BHM1) und der Berufsfachschule für Realschulabsolventen, Fachrichtung Mechatroniker (BREMA), beteiligt. Parallel zum Zuschnitt wurden weitere Detailarbeiten, wie das Pressen der Leitersprossen, das Bohren, Entgraten, Formen, Sägen, das Fertigen von Drehteilen, etc., ausgeführt. Die gesamte Palette der im Metallberuf zu erlernenden Fertigkeiten war im ersten Arbeitsschritt gefragt.
Im zweiten Arbeitsschritt dieser „Kleinserienproduktion“ ging es um das Zusammenfügen der einzelnen Baugruppen. Die Einzelteile des Drückjagdbockes wurden mithilfe eigens dafür konstruierter Baugruppenschablonen zusammengeheftet und anschließend verschweißt. Spätestens jetzt, als sich die Halle allmählich bis in den letzten Winkel mit den Baugruppen füllte, wurde jedem deutlich, welchen Umfang diese Gesamtaufgabe hatte.
Den letzten Arbeitsschritt bildeten die Oberflächenbehandlung, die Endmontage, sowie das Einfügen der hölzernen Trittbretter, Sitzauflagen und Rückenlehnen. Da der geplante Fertigstellungs- und Übergabetermin bereits in gefährliche Nähe rückte, mochte mancher Schüler bereits jetzt erahnen, dass im späteren Berufsalltag hin und wieder unter Zeitdruck gearbeitet werden muss, sollen vorgegebene Termine gehalten werden.
Pünktlich am 19. Juli erfolgte die Übergabe der Drückjagdböcke an die Jägerschaft Rotenburg (Wümme). Nicht ohne Stolz nahmen alle beteiligten Schüler zum Gruppenfoto auf den von ihnen produzierten Drückjagdböcken, die inzwischen eine komplette Bauhalle füllten, Platz. Sowohl Schulleiter, Abteilungsleiter, Jägerschaftvorsitzender als auch Hegeringleiter und die beiden Initiatoren, werteten die Kooperation in Sachen „Drückjagdbock“ als vollen Erfolg, der geradezu nach Fortsetzung in gleicher oder anderer Form schreit.