In der Tagespresse wird in letzter Zeit häufiger über den Wolf berichtet. Dort wo er auftaucht wird er sofort von allen Interessengruppen als Vehikel eigener Selbstdarstellung genutzt. Öffentlichkeitsarbeit in Sachen Wolf sollte auf der Vermittlung zuverlässiger und seriöser Information beruhen. Vor allem auch deshalb, da die Meinung zum Thema Wolf in unserer Gesellschaft sehr gespalten scheint. Während von den Einen die Rückkehr des Wolfes als Erfolg des Artenschutzes gefeiert wird, sehen die Anderen der Rückkehr des Wolfes mit gemischten Gefühlen entgegen oder sehen sich sogar an einen Rückfall in längst vergangene Zeiten erinnert, in denen die Bestie Wolf mit allen Mitteln verfolgt und ausgerottet wurde. Der Wolf, so glauben viele, hat in unserer Kulturlandschaft keinen Platz. Selbst die Befürworter sind ob der Häufung von Meldungen über Wolfssichtungen unsicher, wie mit dem streng geschützten Heimkehrer umzugehen sei. Fest steht, dass die Wiederbesiedlung Deutschlands durch den Wolf, quantitativ gesehen, schon jetzt eine Erfolgsgeschichte ist. So hat sich sein Bestand seit dem Jahre 2001 mehr als verzehnfacht und befindet sich mit seiner Wachstumskurve bereits im Übergang zum exponentiellen Bereich. Aus dem im Jahre 1998 aus Polen eingewanderten Wolfspaar, haben sich aktuell 25 Rudel mit 101 Welpen entwickelt. Selbst bei Annahme einer Welpensterblichkeit von 20%, steht bei einem Geschlechterverhältnis von 1:1 damit rein rechnerisch bereits ein Potenzial für weitere 40 reproduzierende Rudel zu Verfügung. Hier wird bereits die Dimension der zukünftigen Entwicklung deutlich, denn die Rückkehr des Wolfes in eine völlig veränderte Kulturlandschaft verdeutlicht seine große Flexibilität, stellt unsere hingegen auf eine Probe. Wölfe können fast überall leben, wo sie genügend Nahrung finden und wir sie leben lassen. Der einzige einschränkende Faktor scheint der Mensch zu sein. Die Herausforderungen der Zukunft werden daher nicht nur ökologischer, sondern vor allem auch soziologischer Natur sein.
Der Wolf ist nach europäischem und nationalem Artenschutzrecht streng geschützt. Er ist in den Anhängen II und IV der Fauna-Flora-Habitat Richtlinie (FFH-RL) gelistet und stellt damit eine prioritäre Art dar. Als Unterzeichner der Berner Konvention hat sich die Bundesrepublik verpflichtet, den im Rahmen des Übereinkommens erarbeiteten „Aktionsplan für die Erhaltung der Wölfe in Europa“ zu unterstützen und mit eigenen Maßnahmen zu flankieren. Auf Landesebene wurde dazu im Dezember 2011 eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem damaligen Umweltminister Hans-Heinrich Sander und dem Präsidenten der Landesjägerschaft Niedersachsen, Helmut Dammann-Tamke, unterzeichnet. Die Jäger in Niedersachsen unterstützen seither offiziell das Land beim Monitoring und Management des Wolfes. Die Kooperationsvereinbarung regelt neben den umfangreichen Aufgaben der wissenschaftlichen Begleitforschung, für die von der Landesjägerschaft eigens eine Biologin als hauptamtliche Wolfsbeauftragte eingestellt wurde, die landesweite Koordination und Dokumentation der wissenschaftlichen Erfassung von Wolfshinweisen, das sogenannte Wolfsmonitoring. Erfasst werden Größe, Verbreitung, Zustand (Genetik) und Beeinträchtigungen (Mortalität) der Wolfsvorkommen. Wobei möglichst alle Wolfshinweise (Sichtung, Spuren, Losung, Risse) gewissenhaft protokolliert werden sollen, damit sie wissenschaftlich ausgewertet werden können. Die Daten werden anschließend bei der LJN zusammengeführt, bewertet und dem Land übermittelt. Wissenschaftliche Unterstützung leistet dabei das Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover und der Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). Wer auf (potentielle) Wolfsspuren stößt, sollte den Fundort nicht verändern und den für den Landkreis zuständigen Wolfsberater (Jürgen Cassier, 04261-983-2800 o. 0151-55047309) oder die hauptamtliche Wolfsbeauftragte der LJN (Dr. Britta Habbe, 0511-8567791 o. 0179-9075166) kontaktieren. Insbesondere die Jäger können ihr Potenzial, flächendeckend Daten zum Wolf zu liefern, künftig noch stärker nutzen. Sie haben bereits langjährige Erfahrung in der Erhebung von Daten bei der Wildtiererfassung in Niedersachsen.
Bestandteil der Kooperationsvereinbarung ist außerdem die Schulung und Betreuung der derzeit 40 ehrenamtlichen Wolfsberater, sowie die Information der Öffentlichkeit über den Wolf sowie über das richtige Verhalten bei Begegnungen mit Wölfen. Neben der kontinuierlichen Information über aktuelle Ergebnisse und Entwicklungen, umfasst dies auch zielgruppengerechte Vorträge durch die hauptamtliche Wolfbeauftragte der LJN und die Umweltbildungsinitiative „Wölfen auf der Spur“. Diese, in Kooperation mit dem SCHUBZ Umweltbildungszentrum Lüneburg durchgeführte landesweite Bildungsinitiative hat zum Ziel, im Rahmen des Konzepts der Bildung für nachhaltige Entwicklung, eine sachliche Auseinandersetzung zum Thema Wolf, bei Kindern und Jugendlichen zu fördern. Die Bildungsinitiative ist im August 2013 als offizielles Projekt der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ausgezeichnet worden.
Die Kooperationsvereinbarung beinhaltet aber auch einen Bereich, der schon am Anfang der Entwicklung das zukünftige Konfliktpotenzial deutlich werden lässt. Es sind dies die Beratung von Eigentümern und Nutzungsberechtigten hinsichtlich vorbeugender Sicherungsmaßnahmen zum Schutz von Nutztieren, sowie die Beteiligung an der Fortentwicklung der konzeptionellen Grundlagen zum Umgang mit dem Wolf in Niedersachsen einschließlich des Wolfschutzes. Die lange Abwesenheit des Wolfes aus unserer Kulturlandschaft hat dazu geführt, dass bei den Nutztierhaltern die Kenntnisse über den Schutz ihrer Herden vor dem Wolf, als respektablem Beutegreifer, verloren gegangen sind. So listet das NLWKN im Zeitraum November 2008 bis März 2014 mehr als 110 in Niedersachsen gerissene Schafe auf, die nachweislich dem Wolf zum Opfer gefallen sind. Als Reaktion darauf kommt es trotz Ausgleichszahlungen an die betroffenen Tierhalter, zu kritischen Diskussionen, in denen die Tragfähigkeit des Wolfes in der Kulturlandschaft zunehmend infrage gestellt wird. Die Bundesrepublik hat die Verpflichtung, die wesentlichen Ergebnisse des Monitoring im sechsjährigen Turnus, der EU nach Artikel 17 der FFH-Richtlinie zu berichten. Dieser Bericht ist die Grundlage für die Bewertung des Erhaltungszustandes der Wolfspopulation in Deutschland. Die bereits im Übergang zum exponentiellen Bereich befindliche Ausbreitung des Wolfes könnte dazu führen, dass wesentlich schneller als erwartet, die Notwendigkeit einer Neubewertung des derzeit höchsten Schutzstatus gegeben ist. Das Ergebnis könnte dann ein günstigerer Erhaltungszustand sein, der eine lebensfähige Population dokumentiert, die wiederum eine Bestandskontrolle ermöglicht, bzw. sogar erfordert. Auch die Auseinandersetzung mit dieser Problematik wird nicht ideologiefrei und undogmatisch erfolgen und birgt gesellschaftliches Konfliktpotenzial. Grundlage zukünftiger Entscheidungen zum Thema Wolf ist eine gesicherte wissenschaftliche Datenbasis. Diese liefert die Jägerschaft mit dem Wolfsmonitoring.